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Iran – heilige Städte, wilde Berge und regnerische Küste [Teil II]

Mit Bus, Shared Taxi und auf einer Pick-Up Ladefläche erreichen wir das nette Bergdörfchen Abyaneh. Die ursprünglich zoroastrischen Einwohner haben sich lange gegen die Islamisierung gewehrt. Wir verweilen zwei Nächte hier. Bei einer Wanderung entdecken wir die karge Berglandschaft, zunächst querfeldein laufend und ganz allein steigen wir hochhinauf zu einem Punkt, den wir uns vorher ausgesucht haben. Ein netter junger Mann nimmt uns am Tag drauf mit zurück ins 80 Kilometer entfernte Kashan. Geld für die Fahrt lehnt er partout ab.

Kashan hat einen sehr schönen und betriebsamen Basar, nette Altstadtgassen und angeblich die größte unterirdische Stadt der Welt.

Wieder einen Tag später reisen wir weiter gen Norden nach Qom. Diesmal mit dem Minibus. Qom ist neben Maschhad das religiöse Zentrum. Eine wichtige Pilgerstätte für die Schiiten, da hier Fatima begraben liegt, die Schwester des achten Imams Reza. Eine sehr konservative Stadt, die auch „Chador-City“ genannt wird, da man hier kaum Frauen ohne den Chador sieht. Der erste Eindruck von Qom war so viel versprechend für uns, dass wir uns entgegen unserem Plan spontan entscheiden hier ebenfalls eine Nacht zu verbringen. Die religiöse Atmosphäre an den Heiligtümern und Moscheen und die vielen eindrucksvollen Bekanntschaften machen Qom zu einem echten Highlight auf unserer Iranreise. Da ist z. B. Mohammad, der verpflichtet ist uns durch das Heiligtum der Fatemeh Ma`soumeh zu führen. Noch bei der Arbeit verteidigt er die islamische Führung vehement. Als wir ihn dann später privat treffen, redet er plötzlich von Widerstand und Revolution. Dann die strahlende Maha, deren Eltern in Deutschland leben und die dabei ist Deutsch zu lernen um ihren Eltern eines Tages zu folgen und die überglücklich ist sich mit uns auszutauschen. Und dann der herzensgute Ali, der uns am liebsten jedes Detail seiner Stadt erzählen möchte und am Ende unserer Reise unbedingt nach Teheran kommen will, um uns am Flughafen zu verabschieden. Er zeigt uns unter anderem die gigantische Jamkaran Moschee, die wir ohne ihn nicht entdeckt hätten. Die Vertreter der Moschee spendieren uns ein Essen auf dem Innenhof, wo tausende Gläubige für ihre Gebete Platz finden. Erst um 2:30 Uhr nachts sind wir wieder unter uns.

Die Reise über Karaj ins 300 Kilometer entfernte Quazvin ist ziemlich beschwerlich wegen Bus-Pannen und fehlenden Fahrplaninformationen. In Quazvin eingetroffen hilft uns Couchsurfer Amir beim Zurechtfinden in der Stadt. Von Quazvin unternehmen wir zusammen mit einem Pärchen aus München einen Tagesausflug ins Alamut Valley. Umgeben von wilden Bergen erhebt sich hier eine ehemalige Bergfestung der Assassinen, eine islamische Sekte, die im 11. Jahrhundert für Angst und Schrecken im Nahen und Mittleren Osten sorgte und die Großmächte herausforderte. Auch hier bleiben wir von einer Panne nicht verschont, so müssen wir 2 Stunden in der Pampa auf ein Ersatzfahrzeug warten.

Am nächsten Tag auf der Fahrt nach Masuleh haben wir zwar mehr Glück mit dem Fahrzeug, dafür weniger mit dem Fahrer, der immer einzunicken droht. Die Vegetation wird auf der Fahrt mit dem überqueren des Alborz-Gebirges immer grüner. Masuleh ist von üppigen Bergwäldern umgeben. Das Dorf selbst ist auch schön anzuschauen. Die Häuser sind am Steilhang übereinander gebaut, sodass die Dächer gleichzeitig als Wege fungieren. Auf einer Wanderung entdecken wir einen großen Wasserfall und sind wieder ganz allein. Nur einmal begegnen wir zwei Hirten bei der Arbeit. Bei strömendem Regen und Donner erreichen wir völlig durchnässt wieder Masuleh.

Ab jetzt hangeln wir uns die Küste des kaspischen Meeres entlang (das eigentlich kein Meer ist, sondern der größte See der Welt). Da Ramsar nicht vor Schönheit trotzt, ziehen wir noch ein Stückchen weiter nach Tonekabon. Hier finden wir dank fremder Hilfe ein Zimmer mit Meerblick. An Baden ist hier nicht zu denken, die vielen islamischen Vorschriften machen die Sache recht kompliziert. Zudem scheint uns der Dauerregen zu verfolgen. Zurück in den Bergen des Alborz-Gebirges, angekommen in Kelardasht, fällt unsere dort geplante Wanderung wegen dem schlechten Wetter ins Wasser und für eine Gipfelbesteigung ist es sowieso noch zu früh.

Also halten wir uns hier gar nicht lange auf und fahren auf spektakulärer Strecke in die Megametropole Teheran. 20 Millionen Menschen leben im Ballungsraum. Die Stadt scheint in ihrer eigenen Luft zu ersticken.

Trotz unterirdischem Metronetz sind die Straßen verstopft. Das Fahrrad wurde hier noch nicht entdeckt. Es soll weniger schädlich sein 40 Zigaretten am Tag zu rauchen als einige Stunden durch die Stadt zu laufen. Für einen Tag entkommen wir dem Smog. Auf einer der schönsten Zugstrecken des Iran überqueren wir nochmals das Alborz-Gebirge. Der Zug windet sich durch schmale Schluchten und unzählige Tunnel in die Höhe, um dann in Serpentinen wieder herunter zu tuckern. Hinter jeder Kurve präsentiert sich die Landschaft anders. Im Abteil lernen wir Mustafa und Hamid kennen. Zwei super nette Jungs, die einen Kurztrip zu einem Freund in Sari machen. Sie scheinen auch ganz begeistert von der Fahrt zu sein. Nach sechs Stunden steigen wir in Pol-e Sefid aus. Eine vierköpfige Familie nimmt uns die 200 Kilometer in ihrem Kleinwagen zurück nach Teheran. Zwar können sie kein Wort Englisch, die Stimmung ist trotzdem sehr aufgeheitert, es wird gesungen, geklatscht und sogar geknutscht was das Zeug hält. Eine gemeinsame Sprache braucht es nicht, um sich zu verstehen. Eine weitere unvergessliche Begegnung bei der der Abschied schwer fällt. Vom Milad-Fernsehturm (der sechsthöchste Fernsehturm der Welt) kommen die Ausmaße der Stadt richtig zur Geltung. Den letzten Tag verbringen wir im Teheraner Basar, einer der größten Basare im Nahen und Mittleren Osten. Hier bekommen wir unsere letzten Rials einfach los.

Ein wenige traurig betreten wir in der Nacht zum 1. Mai das Flugzeug. Nun ist es leider vorbei. Es war ein unvergessliches Abenteuer mit so vielen herzlichen Begegnungen. Die Gastfreundschaft war überwältigend. Wie sagte Aldous Huxley einst „Reisen heißt entdecken, dass alle Unrecht haben mit dem, was sie über andere Länder denken“. Wir kommen wieder keine Frage.

Unsere Route durch den Iran April 2017

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